Papageienhilfe Aachen e.V.
25. Ausgabe 2/00
Für Freunde und Mitglieder

Papageienhilfe Aachen e.V.

| Inhatsverzeichnis - Ausgabe 25 |
| 1. Liebe Mitglieder und Freunde | 2. Ein Leserbrief | 3. Pellets | 4. In eigener Sache |

Pellets in der Papageienhaltung - Segen oder bewußte Verbrauchertäuschung?

Unausgewogene Ernährung ist die Hauptursache für den frühen Tod vieler in Menschenobhut befindlicher Papageien und Sittiche. Dies ist das Credo der Futtermittelindustrie in Werbeprospekten und Internetseiten, die den Papageienhalter von der Qualität von Pellets als Alleinfutter überzeugen sollen.

Zugegeben, die Aussage entbehrt nicht einer gewissen Logik. Falsche Ernährung mit extrem hohem Fettgehalt führt zu einer Vielzahl von organischen Schäden, von denen Leberschäden den größten Anteil stellen. Aber auch Nierenschäden, Herzerkrankungen sowie Erkrankungen des Verdauungstrakts sind die Folge unsachgemäßer Ernährung mit zum Teil nur für den menschlichen Bedarf bestimmten Naturalien. 100% Sonnenblumen hält eben auch die härteste Papageienleber auf Dauer nicht aus.

An diesem Punkt setzt die Futtermittelindustrie nun an. Sie verspricht, daß durch die Fütterung von Pellets die ernährungsbedingten Krankheiten und Organschäden vermieden werden können und somit die Lebensdauer unserer gefiederten Freunde verlängert wird. Ein wahrlich heeres Versprechen, daß jedem Liebhaber von Psittaciden das Herz höher schlagen läßt, ist er doch bereit, alles zu tun, damit es seinen gefiederten Freunden an nichts mangelt. Sind also die Pellets der Durchbruch in der Papageienernährung? Die Industrie sagt ja und weist auf ihre langjährigen Studien hin, die eine optimale Versorgung von Psittaciden mittels Pelletfütterung aufzeigen. Allerdings sind bei den vollmundigen Versprechen der Industrie berechtigte Zweifel angebracht. Und so stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, daß die goldene Statue, die die Industrie den Pellets errichtet hat, in Wahrheit höchstens aus Blattgold besteht.

So lief eine Nachfrage bei den großen Futtermittelfirmen, die Pellets in ihrem Angebot haben, ins Leere; nur ein Hersteller meldete sich überhaupt, bei den restlichen herrschte Schweigen. Stellt sich die Frage, warum die doch so positiven Ergebnisse, die die langjährigen Untersuchungen der Hersteller gebracht haben, unter Verschluß bleiben. Sicher nicht aus Angst, Betriebsgeheimnisse zu verraten, denn bei den Anfragen ging es lediglich um Angaben zur Entwicklung der mit Pellets gefütterten Tiere, nicht um die genaue Zusammensetzung.

Andererseits mehren sich die Berichte über Schädigungen von Psittaciden infolge von Pelletfütterung. Der erste in diesem Zusammenhang veröffentlichte Fall dürfte wohl der Fall Rosga sein (AZ-Nachrichten 9/99), der nach der Umstellung seiner Wellensittiche auf Pellets nahezu seinen gesamten Bestand verlor. Daß die Todesfälle in Zusammenhang mit der Pelletfütterung stehen, bestätigte Herr Dr. Kummerfeld (Tierärztliche Hochschule Hannover) in einem Brief an Herrn Rosga. Im Briefwechsel mit dem Autor bestätigte Herr Dr. Kummerfeld, daß gesundheitliche Probleme und Todesfälle bei Wellensittichen durch Pelletfütterung keine Ausnahme darstellen. Teilweise verweigern die Wellensittiche die Pelletaufnahme sogar bis zum Verhungern. Wenn dies so ist und daran gibt es nicht den geringsten Zweifel, dann stellt sich die Frage, warum derartige Pellets für Wellensittiche überhaupt auf dem Markt sind. Selbst die Hersteller dieser Pellets räumen Probleme bei der Umstellung ein. Um diese zu erleichtern, empfiehlt unter anderem ein Hersteller, die Pellets mit Fruchtsaft anzufeuchten, wodurch sich die Akzeptanz der Pellets erhöht. Kann man bisher die Pelletfütterung bei Wellensittichen noch als unsinnig einstufen, die der Halter aufgrund fehlender Akzeptanz bald einstellen wird, so ist diese Anleitung nicht nur unsinnig, sie ist geradezu dazu angetan, die Vögel zu schädigen.

Bei Pellets handelt es sich um aufgeschlossene Nahrung, daß heißt, die Nährstoffe sind frei zugänglich und nicht wie in Samen und Körnern durch Schalen und Hülsen vor einem Keimbefall geschützt. Zwar werden die Keime durch das Erhitzen der Pellets auf ca. 220 Grad Celsius im Rahmen der Herstellung abgetötet, aber das Endprodukt bietet einen optimalen Nährboden für jegliche Art von Keimen. Durch Anfeuchten der Pellets, die noch dazu in warmen Räumen verfüttert werden, entsteht somit ein für die Vermehrung von Keimen (speziell von pathogenen Pilzen) ideales Umfeld. Solchermaßen gefütterte Tiere werden zwangsläufig geschädigt, schwerste Verpilzungen und Todesfälle sind somit vorprogrammiert. Aber auch unbehandelt verfütterte Pellets sind idealer Nährboden für Keime. Die Behauptung der Industrie, daß durch Pelletfütterung die Gefahr einer Pilzinfektion verringert wird, ist somit unwahr, bei unsachgemäßer Lagerung ist sie sogar deutlich erhöht. Um dieses Risiko auszuschalten müssen Pellets trocken und kalt gelagert werden, ein Kontakt mit den unsterilen Händen des Halters sollte vermieden werden, ihre Fütterung sollte in Futterspendern erfolgen und nach 4-6 Stunden sollten die Pellets aus dem Käfig entnommen werden. Diese Forderungen, auf die übrigens kein Hersteller hinweist, sind für die meisten Halter nicht zu erfüllen.

Bei Recherchen stellte sich dann heraus, daß nicht nur Wellensittiche auf die Fütterung mit Pellets mit gesundheitlichen Störungen reagieren. Zahlreiche Internetseiten sind mit negativen Erfahrungen gefüllt, das Artenspektrum umfaßt dabei vor allem Agaporniden und kleinere Sittiche. Und in mindestens zwei Fällen sind den Herstellern die Probleme bekannt, sie haben aber kapituliert und die Züchter mit ihren sterbenden Tieren alleingelassen. Dies zeigt die wahre Gesinnung der Industrie, der es um das Geschäft, nicht um das Wohl der Tiere geht. Bei Großpapageien werden Schädigungen ebenfalls gemeldet, allerdings fehlt hier bisher die schriftliche Dokumentation.

Auch im Bereich ausgewogener Ernährung können die Pellets keineswegs überzeugen. So ist bis heute das Wissen um den Nährstoffbedarf von Psittaciden gering, eine optimal ausbalancierte Diät ist somit unmöglich. Zugegebenermaßen wird diese auch von den im Handel erhältlichen Saatenmischungen nicht gewährleistet, dies ist aber kein Argument für die Pellets, sondern spricht eher gegen eine Einheitsversorgung mit Pellets, da dem Tier hierdurch jegliche Auswahlmöglichkeit genommen wird. Sicherlich ernähren sich auch mit Saaten gefütterte Papageien durch einseitige Bevorzugung einzelner Saaten nicht ausgewogen, ihnen bleibt aber immerhin die Auswahlmöglichkeit, die ihnen der Einheitsbrei der Pellets nimmt.

Betrachtet man die unterschiedlichen Nahrungspräferenzen der Psittaciden in ihrer natürlichen Umgebung, die teilweise erheblich schwanken und von den ökologischen Gegebenheiten in ihrem Biotop abhängen, erscheint es eher fraglich, ob alle Psittaciden den gleichen Nährstoffbedarf haben. Zu unterschiedlich ist die Nahrungspräferenz z.B. von meist saatenfressenden Sittichen aus den australischen Trockengebieten und Gattungsvertretern aus dem neotropischen Raum, die vermehrt Früchte aufnehmen; auch dies spricht gegen eine Pelletfütterung.

Von der Industrie werden die Pellets als Alleinfutter angepriesen, die auch die Mineral- und Vitaminversorgung der Psittaciden sicherstellen. Auch diese Aussage ist bei genauer Betrachtung zu bezweifeln, werden doch bei den hohen Herstellungstemperaturen der Pellets die Vitamine abgetötet. Dies ist auch den Herstellern bekannt und so werden anschließend den Pellets Vitamine aufgesprüht. Da aber die meisten Papageien die Pellets gemäß ihrer natürlichen Nahrungsaufnahme "schälen", wird diese äußere vitaminreiche Schicht oftmals nicht aufgenommen, eine ausreichende Vitaminversorgung ist nicht gewährleistet.

Daß die oben angeführten Probleme der Industrie unbekannt sind, ist unwahrscheinlich, ja unmöglich, sind doch Fälle dokumentiert, in denen sich Züchter hilfesuchend an die Hersteller gewandt haben, ohne Ergebnis. Dennoch hält die Industrie an den Pellets fest und versucht, sie im Markt zu plazieren. Dazu ist ihr jedes Mittel recht, sei es die bewußte Vortäuschung von falschen Tatsachen (s.o.) oder der Hinweis auf die geringeren Kosten, die eine Pelletfütterung verursacht. So wirbt ein großer deutscher Händler für Pellets durch den Hinweis, daß man 66 Pfennige einer Mark bei Körnerfutter in Form von Spelzen und Schalen wegwirft. Ich wage nicht zu fragen, woher diese Weisheit stammt, aber selbst wenn diese an den Haaren herbeigezogene Behauptung stimmt, so offenbart sie doch die geistige Haltung, die dahintersteckt - vor allem billig soll es sein.

Und da besteht ein weiteres großes Problem der Pellets. Während der Halter bei Saatmischungen mittels Keimprobe die Qualität testen kann, ist er bei den Inhaltsstoffen der Pellets dem Hersteller ausgeliefert. Und der kann alles hereinmischen was billig ist und das Volumen aufbläht. Erst kürzlich wurde bekannt, daß in den Pellets für die industrielle Hühnerhaltung u.a. Klärschlämme verarbeitet werden. Ähnliches ist auch bei den Pellets für Papageien möglich, geht es der Industrie doch vor allem um den maximalen Gewinn, die angebliche Tierliebe dient dabei als Alibi.

Wie ernst es der Industrie mit der Tierliebe ist, offenbart der deutsche Marktführer Vitakraft mit seinem Fragebogen, der 1999 begleitend zu Pelletproben an ausgewählte Züchter versandt wurde. Während die ersten vier Fragen sich mit der Akzeptanz des Futters durch die Vögel befassen, wird dann u.a. gefragt, ob der Duft der Pellets vom Halter als angenehm empfunden wird. Da der Geruchssinn bei Psittaciden weitestgehend zurückgebildet ist, ist die Aromatisierung der Pellets eine reine Marketingstrategie. Diese Haltung offenbaren auch die Fragen nach dem Aussehen, der Größe und der Konsistenz der Pellets. Es geht nicht um die Tiere, es geht lediglich um die Eroberung eines lukrativen Marktes.

Die heute auf dem Markt befindlichen Pellets können in keinster Weise die von der Industrie versprochenen Bedingungen erfüllen, sie stellen weder eine optimale Versorgung dar, noch verringern sie das Risiko von Pilzinfektionen. Der Halter bzw. seine Tiere werden vielmehr zu Versuchstieren degradiert, nach dem Motto, der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht oder im Falle unserer Tiere stirbt. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft weisen die Pellets gegenüber einer naturnahen, abwechslungsreichen Ernährung keinerlei Vorteile, wohl aber Nachteile auf. In diesem Zusammenhang sei auf das Tierfuttermittelgesetz hingewiesen, welches eine Schädigung der Tiere durch Futtermittel verbietet. Da aber immer mehr Schädigungen durch Pellets bekannt werden, stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Industrie. Der ist aber das Portemonnaie näher als das Wohl unserer Tiere.

 

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